K/EINE CHANCE
Vorschläge der Bürger*innen für eine gerechte Bildung
„Gleiche Chancen“: Was heißt das?
Chancengleichheit – das klingt erstmal gut. Vor allem auf dem Papier. Doch was ist das eigentlich genau: Chancen-gleich-heit? Wie sieht die konkret im Alltag aus, speziell beim Thema Bildung? Und wer bestimmt überhaupt, wann Chancengleichheit herrscht?
Eins ist klar: Es reicht nicht, wenn Chancen auf dem Papier für alle vorhanden sind sie müssen auch erreichbar sein. Der Bürgerrat Bildung und Lernen hat sich ein Jahr lang intensiv mit dem Thema Chancengleichheit auseinandergesetzt und gefragt: Wie müssen die Rahmenbedingungen aussehen, um in der Bildung echte Chancengleichheit zu schaffen. An welcher Stelle müssen Brücken gebaut und Maßnahmen organisiert werden, damit alle die Chancen auf ihrem Bildungsweg auch nutzen können?
Es wurden insgesamt 15 Vorschläge verabschiedet, die aus Sicht der Bürger*innen zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen können.
Einige Empfehlungen zielen auf tiefgreifende Veränderungen des Bildungssystems. Ihre Wirkung hängt davon ab, wie sie ausgestaltet werden und unter welchen Bedingungen, mit welchen Ressourcen und in welchen Zeiträumen sie umgesetzt werden. Hinzu kommen aktuelle Herausforderungen, zum Beispiel der Mangel an pädagogischem Personal.
Die Vorschläge sind in drei Bereiche unterteilt:
Unsere Grundsätze für Chancengleichheit
Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland sollen die Chance auf eine gute Bildung haben. Dafür kann und muss man an vielen Stellen etwas verändern. Für diese Veränderungen müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Dem Bürgerrat Bildung und Lernen sind folgende Punkte wichtig:
- Allen Bildungseinrichtungen steht bundesweit eine einheitliche und angemessene Grundausstattung zur Verfügung.
- Die Ausbildungsziele für Lehramt(s)studierende und pädagogische Fachkräfte sind bundesweit einheitlich.
- Bildungsangebot und -infrastruktur sind überall gut ausgebaut.
- Alle haben einen barrierefreien Zugang zur Bildung – unabhängig von der familiären, materiellen, finanziellen Situation. Die dafür notwendige finanzielle Förderung ist gewährleistet.
- An Kitas, Schulen und weiteren Bildungseinrichtungen begegnen alle sich mit Respekt, Nachsicht und Toleranz. Dies wird vermittelt und gelebt – von allen. Inklusion wird gefördert.
- Alle Schulformen und Ausbildungswege werden gleich wertgeschätzt. Es wird in der Schule vermittelt, dass es unterschiedliche Bildungswege gibt, die in einer gemeinsamen Arbeits- und Lebenswelt münden. Ein Schulwechsel ist einfach und zu jeder Zeit möglich.
- Die Individualität der Lernenden wird berücksichtigt. Eine individuelle Förderung ermöglicht es, eigene Talente und Neigungen zu entdecken und auszubauen. Eine Wertung von Talenten, wie „Mathematik ist wichtiger als Kunst”, findet nicht statt.
- Individuelles Lernen hat in der pädagogischen Ausbildung Vorrang.
- Angemessene deutsche Sprachkenntnisse sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungsteilhabe. Sie werden in allen Bildungswegen gefördert.
- An Schulen können alle voneinander und miteinander lernen. Dafür stehen genügend qualifizierte Bezugspersonen wie Schulpsycholog*innen, Sonderpädagog*innen, (Vertrauens-)Lehrer*innen bereit.
- Auch durch ein ausreichendes Angebot von Arbeitsgemeinschaften, Freizeitaktivitäten und Ausflügen ist Schule Teil der sozialen Heimat. Dies gilt auch für die Ferien.
- Ein einheitliches Qualitätsmanagement ist von staatlicher Seite gewährleistet: Das Bildungspersonal wird fachgerecht und pädagogisch aus- und weitergebildet, auch durch Teambuilding und kontinuierliches Coaching. Es wird ständiges Feedback eingefordert. Stetiger kollegialer Austausch wird, auch schulübergreifend, zur Norm.
Das Fokusthema: Chancengleichheit
Der Anspruch auf „Chancengleichheit“ ist im Grundgesetz verankert. Doch welche konkreten Maßnahmen müssen unternommen werden, um dem Anspruch auch tatsächlich gerecht zu werden? Mit dieser Frage hat sich der Bürgerrat Bildung und Lernen seit April 2022 vertiefend beschäftigt. Über einen Zeitraum von 12 Monaten gab es hierzu zahlreiche Sitzungen (online und in Präsenz) mit rund 10 bis 300 Menschen. In den Arbeitsgruppen haben sie Ideen entwickelt, eigene Erfahrungen eingebracht, Empfehlungen gemeinsam ausformuliert und über die einzelnen Ansätze intensiv diskutiert, zum Teil auch sehr kontrovers.
Die Vorschläge und Abstimmungsergebnisse im Überblick
Vorschläge zur Frühkindlichen Bildung
Eine Offensive für frühkindliche Bildung: mehr Kitaplätze, mehr Fachkräfte, kleinere Gruppen
Eine kostenfreie und qualitätvolle frühkindliche Bildung von null bis zur Einschulung
Eine verbindliche Förderung der Sprachkompetenz in Kindertagesstätten
Familienzentren: Vertrauensfördernde Räume für Eltern und Kinder ausbauen
Vorschläge zu Allgemeinbildenden Schulen
Die Ausweitung des Fachpersonals an Schulen und damit die kontinuierliche Betreuung durch multiprofessionelle, vielseitige Teams
Selbstwirksamkeitserfahrung und soziale Kompetenz soll als verbindliches durchgängiges Unterrichtsprinzip und Auftrag für alle Lehrkräfte gelten
Verpflichtender Ganztag an drei Tagen pro Woche für Jahrgangsstuften 1-10
Mehr Geld zweckgebunden zum Wohl der Kinder einsetzen
Vorschläge zur Beruflichen Bildung
Engere Verzahnung von Schule und Betrieben aus allen Berufsfeldern
Individuelle Unterstützung zur Berufsorientierung spätestens ab der Mittelstufe
Mehr „Berufsorientierung“ mit verpflichtenden Praktika
Ein freiwilliges Orientierungsjahr für alle